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Fahrender Richter

Etwas, was mir noch nie passiert ist – ein fahrender Richter.

Meinem Mandanten wird vorgeworfen, über bayerische Straßen zu schnell gefahren zu sein. Beweismittel: ein Foto. Mein Mandant bestreitet, gefahren zu sein. Deshalb hatte ich für meinen Mandanten eine Einlassung im Bußgeldverfahren abgegeben. In dieser bestritt ich, dass mein Mandant gefahren sei. Weiterhin berief ich mich auf die neuere Rechtsprechung einiger Amtsgerichte. Einige Amtsgerichte gehen zutreffend davon aus, dass ein Foto bei Geschwindigkeitsüberschreitungen nicht verwertbar sei, da es an einer speziellen Ermächtigungsgrundlage für das Foto fehle.

Gestern rief mich zu meinem Erstaunen der zuständige Richter an. Zunächst teilte er mir mit, dass er von der neuen Rechtsprechung nichts halte und deshalb das Foto verwertbar sei. Dann kam aber die Überraschung. Er finde es nicht angebracht, dass ich, mein Mandant und Zeugen nach Bayern reisen müssten, wenn unter Umständen mein Mandant nicht gefahren sei. Dieser Aufwand sei nicht zu rechtfertigen. Deshalb schlug er vor, dass er doch nach Berlin kommen könnte. Wir würden uns dann alle an einem Samstag oder Sonntag bei mir in der Kanzlei treffen und uns die „Angelegenheit“ anschauen.

Ich gebe ehrlich zu, dass ich über dieses Angebot ein wenig überrascht war. Da ich aber auch kein Lust habe, nach Bayern zu reisen, habe ich den Vorschlag dankend angenommen.

Nun warte ich gespannt auf die Ladung für den Termin in meiner Kanzlei. Vielleicht werde ich auch einmal nachschlagen, aus welchem Paragrafen sich die Reisemöglichkeit des Gerichtshofes ergibt.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Berlin

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